Sonntag, 28. Februar 2021

ILMENAU ein Instrument der Orgelbauanstalt E.F.WALCKER, Ludwigsburg, opus 1609 aus 1911

 Ilmenau. 1857 wurde die Orgel vom Eilenburger Orgelbaumeister Nicolaus Schrickel, (1820-1893) der aus Oberpörlitz bei Ilmenau stammte,  in das typisch für ihn aussehende Gehäuse welches der Ilemenauer Tischler Friedrich Fleischhack anfertigte, eingebaut. (III/37).

Bild aus Festschrift 1911

Das Instrument wurde schon bald störanfällig und die mechanische Traktur, sicher auch ein Kritikpunkt an vielen Schrickelorgeln, wies immer wieder Fehler und Störungen auf. Klanglich orientierte es sich an den Hinweisen des Orgeltheoretikers Töpfer, und später wurde die Intonation durche viele Reparaturen und andere Einflüsse auch immer unbrauchbarer.  Der neue Organist  ab 1904 - Edwin Schmuck quälte sich sicher sehr auf diesem Instrument, immer wieder Reparaturen und keine Verbesserung, überall ringsum entstanden neue moderne beeindruckende kleine und große Orgelwerke. Er kämpfte auf einem Gebrauchsinstrument für den Gottesdienst,welches jedoch nicht für große Aufführungen und Orgelkonzerte konzipiert war. Er wurde der Motor des neuen Orgelbauprojektes.
Walcker Werbeblätter aus 1911

Vor 1911 besuchte er in ganz Deutschland besonders neue Walcker-Orgeln, traf mit deren Organisten zusammen besonders Holtschneider - Dortmund (St.Reinoldi Walcker (op.1500; V/105) und Emil Rupp-  Strassburg wurden zu guten Bekannten und Freunden. Organist Schmuck wollte eine Orgel die nach neuesten klanglichen und technischen Stand erbaut werden soll. Ein Instrument sollte nach neuesten klanglich ästhetischen Gesichtspunkten entstehen, ein Werk der Spätromantik- welches durch die elsässische Orgelreform entscheidend geprägt ist. Alle Manuale sollen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen incl der ihnen beigegebenen Stimmen.
Ilmenau im heutigen Zustand


Kein Geringerer als Emilé Rupp aus Strassbourg war Berater, Freund und beteiligt an der Einweihung an der Seite des Organisten Edwin Schmuck, der ein Orgelwerk haben wollte, welches ersten Rang einnehmen sollte. Ilmenau ist auch das letzte Instrument welches der (damalige Geschäftsführer) Carl Walcker- der Einführer oder Erfinder der pneumatischen Kegellade*(1)- am 1. Mai 1908 bereiste und erste Vorgespräche hierzu führte...danach in Ludwigsburg tödlich erkrankte und starb.



Später traf Edwin Schmuck mit dem neuen genialen Kopf und Chef der Orgelbaufirma E.F.Walcker-Ludwigsburg zusammen, Dr. Oscar Walcker. Dieser war bestens vertraut mit dem neuen Dispositionsschema elsässischer Reform.

Dr. Oscar Walcker - Inhaber der Orgelbauanstalt 1911


Die ausgearbeitete Disposition wurde an Emil Rupp-Strassburg gesendet, der diese, voller Freude, aufs Höchste lobte. Organist Schmuck besorgte die doch reichlichen Finanzen für den Neubau. Die Orgel überdauerte die Zeiten bis auf 7 Umdisponierungen und wechselnder Spieltische! Die Orgelbauanstalt Walcker war damals die größte, bestrennomierteste und teuerste Firma des deutschen Reiches ja schier der ganzen Welt. Ihre Werke sind damals schon auf etlichen Kontinenten zu finden.

Orgelbau-Anstalt Walcker 1902 zur 1000ten Orgel. (C)Archiv Walcker

Um die 220 Mitarbeiter waren in der Anstalt beschäftigt, man fertigte alles selber, Spieltische, Pfeifen, Windladen, eine große Konstruktionsabteilung, eine Entwurfsabteilung die alle Stilepochen beherrschte, konnte kolorierte Prospektzeichnungen erstellen. Windmaschinen wurden selber hergestellt, so auch die gelieferte in Ilmenau. Ausgezeichnet mit Goldmedaillen, so wurden Instrumente ersten Ranges und größter Abmessung erstellt, mit Güte des Materials und einer Klanglichkeit die noch heute bezaubert. Nix mit Fabrik-Orgelbau. Das waren alles Kunstwerke!  Es war soweit, Frühsommer 1911, die Orgel wurde in Kisten aus Ludwigsburg angeliefert, die Aufstellung dauerte 6 Wochen. Die Monteure Langenstein,Gläser, Götz, Schmidt, Schölp und der Ilmenauer Gehilfe Köditz waren am Aufbau beteiligt.

Das Gehäuse der SchrickelOrgel blieb erhalten und musste nun ein doppelt so großes Werk in sich aufnehmen. Man übersprang hier bewusst eine Epoche der Technik und wendete gleich die damals neue Trakturform der "Electropneumatik" an. Es sitzt nur ein elct.pn. Relais unter den einzelnen Werken, welches gleich als "Splitter" dient, ab da geht es pneumatisch weiter zu den geteilten Windladen der einzelnen Werke.
Registereinschaltung der Hängebalglade

Hingegen aller Berichte ist hier keine "Kegellade oder Taschenlade" verbaut, hier wurde die teure aber extrem präcise, nur den electropneumatischen Instrumenten vorbehaltene "Hängebalglade" von Walcker verbaut wie in Hamburg op1700 und Doesburg op.1855 uvm. Eine auf Zustromprinzip basierte Abstrom-Windlade mit Keilbälgen und darauf sitzenden Scheibenventilen. 

Walckersche Hängebalglade

Das Beste was es auf dem Markt gab. Nur das III. Manual besitzt auch eine electropneumatische Kegellade. Der freistehende Spieltisch stand ehemals seitlich auf der Längsempore.
Vorrelais der Hängebalglade am Bombardon 32'

Dieser wurde von VEB Orgelbau Sauer Frankfurt/Oder neu erbaut ohne alle Funktionen der Oktavkoppeln und Manualumfänge aufzunehmen. 7 Register wurden umdisponiert, umgestellt und neu hinzugebaut. 1993 wurde die gesamte Anlage von der Orgelbaufirma Christian Scheffler-Sieversdorf, rekonstruiert, rückgeführt und überarbeitet. Ein neu erbauter Spieltisch von Fa. Heuss welcher nur angelehnt an die Ausführung der Firma Walcker ist, wurde jetzt mittig vor das Instrument gestellt. Er erfüllt alle Aufgaben, besitzt alle damaligen Funktionen mit Oktavkoppeln-und sieht fast so ähnlich aus. Hier weicht die Restaurierung vom Original ab.
Heuss-Spieltisch 1993

Die Electric wurde neu verlegt, was aus Brandschutzgründen nur zu begrüßen war.
neue ankommende Elektrik am Umschaltrelais. Im Inneren sitzen Magneten.

Das erste Manual entspricht den deutschen Gepflogenheiten und besitzt neben der Mixtur als Klangkrone noch ein Scharf 3 fach 1' welche auf einen breiten Fundament aus 16' und 8' stehen. Das gibt dem deutschen Hauptwerk mächtig strahlenden Glanz. Das II. Manual bildet mit seinen Registern eher ein Begleitmanual welches aber das Hauptwerk unterstützt. Auch hier Aliquoten: der ausgebaute Principalchor, Piccolo 2' und Mixtur 4 fach. Und etwas ganz besonderes, ein Glockenspiel welches als Metallophon gebaut ist und pneumatisch betätigt wird.
Metallophone- Glockspiel im II.Manual aus 1911

Alles gefertigt in der Firma Walcker. Im III.Manual, dem ausladenden Schwellwerk, sind alle Soloregister vereinigt, von leisesten bis zur strahlenden Klangkrone der Cymbel 3 fach- eigentlich 4 fach. Sesquialtera 2f. bringt Farbe durch ihren Terz ins Spiel. Voix céleste8' erklingt männlich straff und nicht seifig. Dazu ein Chor an Flöten und anderen Grundstimmen. Dazu gesellt sich, wie sollte es anders sein als elsässische Reformorgel der Orgel der Zukunft: eine Batterie an Rohrwerken. ein zartschnarrender Basson16' Trompette harmonique8' mit überlangen Schallkörpern, Oboe8' und ein Clairon 4'. Auf II: Klarinette8'. Im ersten Manual die klassische deutsche Trompete8' und dazu ein Cor anglais 4'.
Trompette harmonique 8' und Clairon (harmonique) 4' im III. Manual

Im Pedal beginnt der sanft streichende Harmonikabass 16'; Quintbass 10.2/3' erzeugt den akustischen 32' . Hierzu kommt der Bombardon 32' Posaune 16' Trompete 8'. Der Basson16' und Clairon4' sind geschickt angelegte Transmissionen.
Bombardon 32' im Pedal (nennt sich Posaune 32')

Und nun kommt das Beste: Manual II und III werden gekoppelt an Manual I und verdoppeln dessen Klangkraft. Noch nicht genug? Dann rein mit den Superoktavkoppeln II-I, III-I !!! Beide Manuale auf 70 Töne ausgebaut! Suboktavkoppeln II-I III-I geben sonore Fülle und verdreifachen den Klang der Register. Die alte Windmaschine muß einiges Leisten um diese Fülle an Wind bereitzustellen.
Walckersche Luftschleudermaschine - Motor  ist neu aus DDR-Zeiten.

Der Hauptkanal und anschließende Windführungen sind dementsprechend groß bemessen. Eine "bescheidene" Leerlaufkoppel I.Manual besorgt noch mehr Spielfreude. So kann man mit den Oktavkoppeln noch ganz andere Registermischungen erzielen, die Leerlaufkoppel wirkt wie "Handregister auf dem ersten Manual ab" man kann schon beliebig vorbereiten, die 32'16'8'4'2' Zungen spielen, was beeindruckend klingt und etwas an Cavaille Coll erinnert, aber nur etwas, es ist ja noch eine deutsche Orgel die das Deutsche gern mit dem französisch symphonischen Stil verbinden möchte und den Barock eines Silbermann schon im Augenwinkel hat. einige Prinzipale und Aliquoten sind nach silbermannscher Mensur erbaut, vielleicht nicht intoniert aber immerhin. Beeindruckend ist, daß schroffe Aliqouten und scharfe Streicher sich mit grundtönigen Flöten so vertragen.
electro-pneumatisches Relais und Splitter-Station unter den Registerkanzellenwindladen


Dazu die pompösen Rohrwerke. Wäre doch was fürs Zusammenleben auf unseren Globus. Jeder gibt sein Bestes hinein und es entsteht etwas ganz Edles, Neues. Dieses Dispositions-Schema fehlt jeder  "Barockisierung. Hätte man die neuen Aliqouten incl deren Mensuren besser zu den vorhandenen Registern der Spätromantik angepasst würde auch dort etwas Einheitliches herauskommen. Hinter dem Hauptspieltisch, der sich damals auf der Seitenempore befunden hat....findet man im alten Spielschrank einen weiteren kleinen Hilfspielschrank....von dort können viele Stimmen des I.Manuales rein pneumatisch gespielt werden.

Hilfsspieltisch im Orgelgehäuse


Dieser wurde inclusiv eines Notbehelfs für Bälgetreter vorgesehen. Im Falle eines Stromausfalles kann man wenigstens Notdürftig die Gemeinde begleiten. Da sich der Spieltisch damals seitlich auf der Nachbarempore befand wollte man von hier aus auch einige Chorstücke direkt begleiten. 

und so hörts sich an: 

https://www.youtube.com/watch?v=Finh_SVgI1A   (Superman - J.Williams, Filmmusik)

https://www.youtube.com/watch?v=Aq-TB47tmPE (Der Denver Clan von Bill Conti.....mit Glockenspiel)


 www.walcker.com

*(1) aus Oscar Walcker -  Erinnerungen eines Orgelbauers 1948 S.16

Festschrift von Edwin Schmuck 1911

E.F.Walcker königl. württ. Hoflieferanten Festschrift zur 1000ten Orgel 1902. 

Orgelbau-Archiv Christian Schmidt