Freitag, 28. April 2023

PRESSEL, die neue Kirche von 1857

 Pressel in Nordsachsen. Langezeit hatte das kleine Dorf Pressel, zu vorreformatorischen Zeiten,gelegen zwischen Wittenberg und Eilenburg, einen eigenen Priester. Nach der Reformation 1517 gehörte es zur Pfarrstelle Authausen, hier war ein kleines Kloster ansässig, die Kirche dort weißt einen Ostturm, einen Wehrkirchenturm auf. Im 2kM entfernten Pressel befand sich eine historische Kirche aus dem 13ten Jahrhundert. Sie war aus Feldsteinen und Raseneisensteinen erbaut.

die alte Kirche in Pressel abgerissen 1856

Ein massiver Westturm schließt ein kleines Kircheschiff an, welches in unserer Region öfter angetroffen wird. Eine mechanische Turmuhr und eine alte Sonnenuhr zierten das alte Kirchgebäude. Im Innenraum dieses altehrwürdigen Gebäudes des Mittelalters befand sich ein Bild von Martin Luther und ein Dreiflügelaltar aus dem Mittelalter. Die damals neue Orgel aus dem Jahr 1827 erbaut von den Brüdern Wäldner aus Halle gab dem Innenraum neue feierliche Impulse.  Die kleinen Fenster, Zugänge und der düstere, enge Innenraum  sorgten dafür das die auch "aufstrebenden" Einwohner von Pressel, die damals wie heute "etwas herrausstecken" wollten, beschwerten sich und mahnten an,  einen angemessenen Raum zu erhalten in denen man Gott ehrt. Das alte ehrwürdige Gotteshaus aus dem 13.Jhd. war nicht mehr statthaft und gewollt. Offiziell wurde die Baufälligkeit als Hauptgrund ins Feld geführt, da die Instandhaltungskosten sicher die eines Neubaues ebenbürtig waren. 1856 war es endlich soweit, das Drängen der Leute von Pressel wurde stattgegeben und der Kirchenrat beschloß einen stattlichen Neubau der Dorfkirche. Architekt und Bauzeichnungen sind verschollen und unbekannt, aber Graf Seydewitz, der preußische LandratsAdjudant, befürwortete den Neubau und den Willen der Bürger. Dann ging es los, die alte Kirche wurde abgerissen, die Baumaterialien nach Authausen verkauft, mit denen die neue Schule erbaut wurde. In Pressel wurden indess die neuen Ziegel gebrannt und zur Baustelle inmitten des Ortes geliefert. Hier wurde das neue, riesige, geräumige Gebäude neu "hochgezogen". Im Jahr 1857 war Richtfest und später die Indienstnahme der neuen Kirche gefeiert. 
die neue Kirche , ältestes Photo. vor 1900

Endlich Platz für die Bürger des Dorfes. Die Frauen sitzen unten und die Herren auf der Empore. Nach einiger Zeit kam Klage über Lichtverhältnisse im Gebäude. Dem wurde Rechnung getragen und die Fenster wurden um 1,50 Meter nach unten erweitert. hier enstanden die großen "Kathedralfenster".
Vergrößerung der Fenster 1896

Das Gebäude wurde im Eklektizismus erbaut. Es weißt Formen Schinkel´s, des Klassizismus und romanisch- byzantinische Elemente auf. Der Innenraum wurde eher an eine nordische Holzkirche angehlehnt, die Inneneinrichtung wurde in Kiefernholz im Naturholzton ausgeführt, die Säulen, Emporen und Bänke waren nicht mit Farbe gestaltet. Die Kirchendecke im großen Saal war mit Querbalken flankiert und mit Brettern verschlossen.
so in etwa sah die ursprüngliche Decke der Kirche aus.

Bis heute ist kein Bauplan und Architekt aufffindbar. Das Taufbecken wurde wie auch andere Gegenstände aus der alten Kirche übernommen.
Pressler Taufschale aus dem 17.Jhd. gefertigt aus Silber.

Hier zu sehen die Schüssel des Taufbeckens, und der übernommene Taufstein aus der alten Kirche, Entstehungszeit um 1680. Die gewaltige Kirche stand endlich und viele der Einwohner gaben ihre letzte Ziege für den Bau. 1901 mißviel der mittelalterliche Altar.
der Mittelalterliche Altar in einer alten Aufnahme um 1920

Der mittelalterliche Altar 1902 verkauft nach Halle / Moritzburg

Er wurde verkauft in die Kunstsammlung der Moitzburg Halle.
Bänke der neuen Kirche

Balkenköpfe , Zeichnung aus dem Baubuch.1856

Dort befindet er sich noch heute.Im Jahr 1906 schlug ein Blitz bei einem Sommergewitter in den schlanken Kirchturm ein und der brannte diesesen vollständig aus.
die Kirche nach dem Brand 1906


1910 vollständig wiederaufgebaut, wurde das Gebäude neu geweiht. Der Turmhelm wurde phänomenal um die doppelte Höhe des Helmes aufgebaut, nun leuchtete das goldene Kreuz noch weiter über die umliegenden Heidedörfer. 

Das Taufbecken aus dem 16Jhd.

Durch den Brand angeregt, stampften die Bürger von Pressel die Freiwillige Feuerwehr im Jahr 1913 aus dem Boden. Am.1.April 1913 wurde die Institution gegründet.

Die neu gegründete Feuerwehr vor der Kirche im Jahr 1913.

 Die Kirchturmuhr wurde auch von einem Pressler Bürger gefertigt, Uhrenmachermeister Handke schuf es, so wie viele weitere bei uns in der Gegend.

originales Turmuhrenwerk von Meister Handke/Pressel, 1908, elektrifiziert.




Der Innenraum wurde umgestaltet. Die Decke wurde komplett abgehängt und mit Schilfbeton versehen. Die Apsis im Altarraum wurde von dem berühmten Kirchenmaler und Professor für Ornamentik, AUGUST HERMANN OETKEN gestaltet, Gehilfe "Hase" unterstützte ihn bei seiner Arbeit. Das nächste Werk von ihm kann in Wittenberg, Christuskirche besucht werden.

hier noch der Link zum weiterstudieren: 

https://de.wikipedia.org/wiki/August_Oetken

Altarraum um 1920


 

Innenraum heute, neue Orgel von Rühlmann, 1910.

 

 

Die alte Wäldner Orgel aus dem Jahr 1827, wurde durch die Löscharbeiten beschädigt da der Turmaufgang sich hinter der Orgel befindet und die Orgel "weggespült" wurde. Das Instrument wurde darauf hin entsorgt. Ein neues Werk der Firma Wilhelm Rühlmann, Zörbig wurde 1910 angeschafft.--> siehe seperaten Artikel.

Professor August Oetken 1909, Signatur

ApsisHimmel Gesamtaufnahme, 1909 Prof.A.Oetken.


Der 1te Lehrer im Ort, Paul Wittmann, machte sich sicher für den Neubau stark, ein junger Lehrer der nicht mehr auf dem abgetragenen, schwerfälligen Instrument von 1827 spielen wollte wurde der Organist und Chorleiter des neuen Kirchenchores.  Größer geplant, zu klein ausgeführt.

Paul Wittmann, erster Organist und Lehrer

1921 wurden die Emporen auch farblich gefasst und mit Ornamenten versehen, kein Ornament ist zweimal zu finden. So steht das Gebäude und die Inneneinrichtung bis heute mitten in Pressel.
Kirche, Ansicht von Süden, um 1928


Emporenbrüstung mit Gestaltung um 1921


Kirche heute auf dem Dorfplatz

Schulklasse 1914 vor dem Kirchgebäude.

Samstag, 4. Februar 2023

MALMÖ, opus 1792 aus dem Jahr 1913 !

 1911 Malmö, Südschweden. Der neue Organist der St.Petrikirche , der großen Stadtkirche der Stadt, Axel Boberg (*1876+1946) wollte ein neues modernes Instrument in seiner riesigen gotischen Kirche. 

 

Walcker Orgel im historischen Gehäuse, Photo © Archiv Christian Schmidt

Das alte Instrument konnte in keiner Weise die modernen Anforderungen der schwedischen Organisten befriedigen. Sicher ein aus heutiger Sicht ganz historisches Instrument in einem wertvollen historischen klassizistischen Gehäuse aus dem Jahr 1797 geschaffen von Olof Schwans. Hier ein Bild aus dem Jahr 1913 aus dem Archiv der Orgelbaufirma Walcker-Ludwigsburg:O

Walcker Instrument mit freistehenden Spieltisch. photo:©Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, B 123, Bü 2074

Wie man schon sieht, der Spieltisch ist modern freistehend und nicht, an oder wie früher, im Orgelgehäuse untergebracht.  Der Blick ist in den gewaltigen Kirchenraum gerichtet. Axel Boberg wollte ein modernes großes künstlerisch in allen Belangen benutzbares Instrument. Axel Boberg, ein Beführworter des deutschen Orgelbaues, der dem damals schwedischen überlegen war,  lies die damals bekannteste Firma E.F. Walcker -Ludwigsburg das neue Instrument erstellen. Er selbst fuhr nach Ludwigsburg um Oscar Walcker zu sprechen um den Bau der Petri-Orgel einzuleiten. Organist Boberg hatte das volle Vertrauen des Petri-Kirchenrates, der Vertragsabschluß ging ohne Ausschreibung und ohne Konkurrenz von statten. Die Gemeinde wollte eben eine Orgel dieser Firma. Er wusste genau was er wollte und war ein Mann der sich mit dem Orgelbau auskannte. Oscar Walcker weilte dann öfter in Malmö und erinnert sich an die "angenehmsten Besprechungen mit dem Kirchenvorstand" und war ein gerngesehener Gast im Hause Boberg. Dort lernte er "das schwedische Familienleben kennen und schätzen". so in seinen Memmoiren. Auf dieser Basis standen weitere Orgelneubauten: Malmö-Karoli-Kirche, 50 Register, Siriuskirche, und gipfelte 1925 mit dem Bau der Orgel im Stadthaus Stockholm. IVManuale-114Register, Siehe sepetraten Artikel über die Orgel Stadthalle Stockholm. 

Zur Disposition , die auf Organist Axel Boberg und Oscar Walcker zurückgeht. 

Organist Axel Boberg,Befürworter des deutschen Orgelbaues

MANUAL I - klassisch deutsch spätromantisch. 16'-8'-4'-2'- Kornett, Mixtur und einen gewaltigen Zungenchor: Trompete 16' Tuba mirabilis 8' (eine Hochdruckstimme - 150mm/WS) Clairon 4' .

MANUAL II ; SCHWELLWERK ; : Ein kräftig majestätisches Begleitwerk oder Solowerk mit Einflüssen der elsässischer Orgelreform:  Flöten und Streicher 16'-8'-4'. Fugara 8' als labiale Hochdruckstimme. Es wird noch besser: eine Batterie an Horizontalen Rohrwerken, die noch zusätzlich mit Hochdruckwind befeuert werden, diese Stimmen "tröten" an höchster Stelle der Orgel in den Kirchenraum. Das muß gewaltig gewesen sein. Es sind: Fagott16'  Trompete8'  Trompete 4'.

 

Walcker-Konstruktionszeichnung: Windlade II.Manual ~ Horizontaltrompeten. © by Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, B 123, Bü 2074


MANUAL III ; SCHWELLWERK ; Dieses Werk steht im hinteren Teil der Orgel, im umfunktionierten Turmraum. Das absolut spätromantische deutsche Werk mit den absolut schönsten Stimmen, keine schwachen Stimmen: Voix celeste 8'& Violine 8', ein Lieblich Gedackt 16', Geigenprincipal und Flute harmonique 8', eine Harmonia aethera 3fach, Brillianz mit Terz; dazu das obligatorische, in Schweden weitverbreitete EUPHON 8' (eine Art Tuba mit rundem Klang) und Oboe 8'.

Registerstaffel links.

Auf MANUAL IV ; SCHWELLWERKE, : hier spielbar das FERNWERK, die sog. FERNORGEL; und die CHORORGEL. Im Fernwerk findet man auch eine Streicherschwebung: Voix angelica8' mit Echogamba8'. Vox Humana8' knurrt sanft aus der Gewölbedecke auf das Publikum herunter. Die Chororgel oder Altarorgel hat nur 3 Register, Rohrgedackt8' Dulciana8' Spitzflöte4'. 

Registerstaffel rechts.

Das PEDAL ist gewaltig besetzt und knallert durch den Kirchenraum mit einem Principalbass 32'  und Bombardon 32'. Echobass 16' ist eine zarte Transmission aus dem III.Manual.  Harmonikabass 16' streicht tief sanft. Pedalmixtur 5fach gibt Glanz und Farbe. Kontrafagott16' und Posaune16' unterstreichen energisch das Bassfundament. 

Spieltischbild, Portraitphoto 1913, © Malmö Archiv der Petri-kyrka

 

Die Normalkoppeln sind obligatorisch dazu gesellen sich Ober und Unteroktavkoppeln auch zum Pedal hin die der Tonmasse ungemein an Kraft und Gewalt gibt. Frei einstellbare Pianopedalkombination für IV und III Manual. Der absolut wunderschön gestaltete Spieltisch gibt Aussage wie es sich angefühlt haben muß. Seitlich die walcker'schen Arkanthusranken dazu die modernen ergonomisch dem Spieler zugewandten Registerstaffeln. Übersichtlich angeordnet dazu die Kombinationstritte und Balanciertritte und natürlich die Registerschwellerwalze. 

 

Walcker Konstruktionszeichnung: Spieltischanordnung. ©Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, B 123, Bü 2074

Manualumfang C-a''' und Pedal C-f'. Die Schwellwerke sind ausgebaut bis a''''. Bei der Orgel wurde eine Mischform der Steuerung angewand. Manual I und II und das Pedal arbeiten rein pneumatisch mit Taschenladen. Manual III , die Fernorgel und die Chororgel sind elektropneumatisch gesteuert. Die Fernorgel befindet sich auf dem Gewölbeboden und die Chororgel (Altarorgel) im Altarbereich. Es wurden leider noch keine Bilder gefunden. 

Walcker Konstruktionszeichnung: Längen und Querschnitt ©Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, B 123, Bü 2074

Vorgestern erreichte mich aus dem St.Petri-Kirchenarchiv in MALMÖ ein beeindruckendes Foto des Spieltisches, welches, was Vergleiche anstellt, von Walcker bei Fertigstellung des Spieltisches in Ludwigsburg nach Malmö gesendet wurde. Es ist so brilliant aufgenommen, das die Registernamen gelesen werden können. Es sei hier wieder gegeben. Das  Teil soll im Archiv des Museums in Malmö erhalten sein, leider habe ich keine weiteren Informationen dazu, trotz erheblicher Korrespondenz.

besonderer Dank sei :

Organist Anders Johnsson, 

Anne Ruponen, Secretary at Petri-Kyrka MALMÖ, 

 Ute Fitterer-Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg.








Donnerstag, 19. Januar 2023

Der SAALBAU zu RECKLINGHAUSEN und seine beeindruckende ORGEL,1925

 1925. Der neue Saalbau zu Recklinghausen , ausgelegt für 1.500 Gäste erhielt 1925 ein gewaltiges Orgelwerk von bester Technik im Bühnenbereich. Es trägt die Opusnummer 2094.

 

großer Saal mit Walcker Orgel 1925

Ein beweglicher Spieltisch auf Rollen, angeschlossen über ein dickes Kabel im Schlepp zur Hauptorgel. Dieses Teil ist noch im Stil der früheren großen PréstigeOrgeln der Firma erbaut, edle Hölzer und besonders die Einfassung der Registerschalter mit Arkanthusrankenschnitzwerk spiegeln den Glanz und Pomp der Jahrhundertwende wieder. 

 

zeitgenössischer Organist vor der Saalorgel op.2094

Ein elektropneumatisches Großwerk der Orgelbau-Anstalt Walcker in Ludwigsburg und deren Chef Dr.phil. Oscar Walcker. Auf ein spätromantisches Fernwerk, welches damals noch sehr in Mode war, wurde verzichtet. Dabei wirkt die Orgel wie eine große spätromantische Orgel mit viel Symphonik, abgerundet durch "antike" also alte Stimmen des Mittelalters und Renaissancezeit ergänzen das spätromantische RegisterEnsemble.

 

Spieltisch der Walcker Orgel in Recklinghausen

 Herrlichste scharfe Streicher wie Gamba, Aeoline, Viola, Fugara und Voix  celeste8' lassen sich problemlos mit mittelalterlichen Registern wie Rankett, Bärpfeife, Krummhorn, Vox humana und Geigend Regal spielen. Dazu silbermannsche Prinzipale und Klangkronen wie Cymbel und Kornette. Dazu noch elsässisch französisches Rohrwerke (Zungen) Trompete harmonique, hohe Trompete (Clairon4) Dulcian 16 nach Preatorius, ersetzt den Basson16'. Das Glockenspiel auf Manual 3 darf nicht fehlen, es ist ein pneumatisches Xylophon. Manual II und III stehen in dicken Schwellkästen somit ist der UniversalOrgelKlang biegsam und sehr dynamisch, da die beiden Manuale an Kraft dem ersten, deutsch gehaltenen Werk, in nichts nachstehen. Ober-Oktavkoppeln sind reihenweise ausgebaut. Etliche Stimmen haben einen erhöhten Winddruck und gewinnen dadurch noch mehr an Präsenz im Raum und im gesamten Orgelklang. Eine gewaltige Windmaschine von Walcker versorgt das 71 registrige Werk mit genügend Wind zusätzlich liefert es auch durch einen gekoppelten Generator die nötige Stromspannung von 24 Volt um das Instrument mit seiner elektropneumatischen Steuerung zu versorgen. Man denke an die vielen 1000 Magnete die im vollen Werk mit allen Oktavkoppeln gleichzeitig arbeiten! Und natürlich an die vielen mehr als 2200 Pfeifen die mit einmal erklingen wenn alle Register gezogen sind und die Oktavkoppeln alles nocheinmal verdoppeln! Dieser riesige Windverbrauch! Dazu noch die gewaltigen 32' und 16' füßigen Register des Hauptpedals! 

 

die große Saalorgel mit Orchesterempore

1972 wurde das sicher ungepflegte und unmoderne Instrument, obwohl alles für alle Epochen und Stilrichtungen erschaffen wurde, komplett abgerissen und durch ein mechanisches , modernes Instrument neobarocken Stils erbaut. Die Stadthalle wurde 2000 geschlossen und 2013 komplett abgerissen!

Dienstag, 10. Januar 2023

größte Orgel SCHWEDENs, BLAUE HALLE STOCKHOLM, WALCKER 1925

 Stockholm, Schwedische Hauptstadt. Hier baute Architekt Ragnar Östberg im Stil der schwedischen Nationalromantik - Eklektizismus , sein noch heute bestehendes Stadthaus. Der Sitz des Stadtparlaments und der Stadtregierung. 

Stadthaus Stockholm, aus einer Walckerwerbeschrift

Im GOLDENEN SAAL sieht man ROXETTE mit ihrem Titel "fading like a flower" in dem anschließenden riesigen Saal, der Blauen Halle, (BLA HALLEN) werden neben vielen anderen Aktivitäten die "Nobelpreise" vergeben. Dazu ertönt immer eine Orgel. Unscheinbar, unsichtbar, und doch monumental in ihren Ausmaßen. Die größte Orgel Schwedens.

 

Bild aus dem Internetz, heutige Ansicht der Blauen Halle

 Weit oben über dem Publikum versteckt in einem Balkon steht sie. IV-Manuale, 115 Register. gewaltig. Man wollte nicht so recht, etwas deutsches nach dem verlorenen Krieg, eigene Firmen wollten und konnten aber solche Ausmaße nicht, englische Firmen, nunja, man wusste nicht genau, so geht es aus den alten Akten hervor. Lieber in Zusammenarbeit mit den Deutschen. Die kannten sich aus mit Elektropneumatik und Riesenorgelbau.England war raus, die Schweden wollten nicht so recht, also musste Firma WALCKER-LUDWIGSBURG die Planung und die Ausführung alleine übernehmen. Man kannte sich ja aus mit dem Großorgelbau. Der Juniorchef Dr.Oscar Walcker holte den Auftrag persönlich in Stockholm, nach mehreren schweren Verhandlungen und Procedere. Die Schweden wollten nicht so recht, mit einenm Kriegsgegner. Aber keiner konnte es besser, Oscar Walcker holte den Auftrag in die heimische Firma, so steht es in seinen Erinnerungen, der Bau konnte beginnen. Wenig Platz war vorhanden, ein Fernwerk war zusätzlich geplant. 

Aufriss und Schnitte, Walcker1924, Archiv CvP

1925 war es endlich fertig, eine riesige Orgel auf einem Balkon über dem Saal. Die größten Pfeifen wurden liegend installiert. Der Walcker Spieltisch wurde auf dem Balkon in luftiger Höhe aufgebaut. Dort versah er seinen Dienst bis ende der 1990er.

Walcker Spieltisch, 1925. Archiv CvP

 Keiner weiss wo er ist, Recherchen ergaben nix, Personen vor Ort wissen nix, Leute der Orgelbaufirma die den Umbau vornahmen, wissen auch nichts. Somit existiert noch kein weiteres aktuelles Bild.

Aufriss, Archiv CvP, copyrighted

Reorganisert wurde die Orgel von HARRIS&HARRIS, England. Man übernahm fast alles Vorhandene der Walcker Orgel. Ein neuer Spieltisch französischer Bauart steht heute inmitten der Zuhörerschaft. Walcker erbaute die Orgel auf elektropneumatischen Kegelladen und Hängebalgladen. Das Walckersche Orgelwerk ist zu fast 100% erhalten und ging in dem neuen Werk auf. Ein Erlebnis.Hier die Disposition und die originalen Seiten von Walcker:
Walcker Seiten, (c) by Christian Schmidt, Pressel.




Samstag, 7. Januar 2023

GERA fürstliches Theater mit WALCKER Orgel aus 1911

 Im damals im Jahr 1902 neuerbauten fürstlich reußischen Theater welches von dem Berliner Architekt Heinrich Seeling projektiert wurde, konnte die größte deutsche und europäische Orgelbau-Anstalt, ja der ganzen Welt, E.F. Walcker-Ludwigsburg, eine gewaltige Konzertorgel einbauen. 50 klingende Stimmen wurden eingebaut. 

Saalorgel in Gera.

Das bedeutende Werk wurde damals richtungsweisend auf walcker´schen pneumatischen Hängebalgladen, die die präcise Ansprache der Töne durch Abstrompneumatik deutlich positiv beeinflussen, erbaut. Zusätzlich wurde die gesamte Anlage der damals modernen Technologie der Elektrizität bedacht und die ganze Orgelanlage funktioniert auf Elektropneumatik. Hinzu kommt das das III. Manual im Tonumfange eine Oktave weiter ausgebaut wurde. Wie es sich für eine SaalOrgel gehört, ist auch das II.Manual wie auch das III. als Schwellwerk ausgeführt. Diese Schwellanlagen wurden über elektropneumatische Bauteile bewegt, da der freistehende Spieltisch sich auf dem rechten Zuschauer-Rang befindet. Der Organist schaut auf den Dirigenten und in den Saal.

Bild um 1975, Orgelbau Sauer/FFO

 Wem das noch nicht reicht zu einer sogenannten "Spätromantischen Orgel" wird hier auch überrascht, das das Werk der "Elsässer Orgelreform" folgt. Die Registerzusammenstellung macht deutlich: Cymbel 3f. Solotrompete8'&Oboe8' im III.Manual. Auf Manual II ein zu spielendes Echo oder Fernwerk mit : Bordun8' Spitzflöte4' Vox humana8' zusätzlich noch Clarinette8' und weitere Stimmen im Schwellkasten des Manuales. Das erste Manual ist klassisch deutsch gehalten: Bordun16' Gamba8' Principal8' Oktave4' Oktave2' Mixtur4fach, Kornett3-7fach, Trompete8'! 

Walcker´s Werbeblatt

Die Orgel war das 1638te Werk der Firma und wurde kurz nach der großen Orgel in der Stadtkirche St.Jakob zu Ilmenau erbaut. Unangetastet und unbeschadet überstand das große Werk die Kriegseinwirkungen und bestand bis 1975. 

Walcker Orgel zu DDR Zeiten. Kopierecht bei Stadtarchiv Gera.

Sie wurde demontiert inklusiv der eklektizistischen Schauseite und 1977 durch ein neues Werk des "VEB Sauer Orgelbau-Frankfurt Oder- DDR" ersetzt. 

Walcker Orgel mit Konzertbestuhlung, Kopierecht bei Stadtarchiv Gera.

Ich weise darauf hin das die Bilder Urheberrechtsgeschützt sind und bei Veröffentlichung und Weiterverarbeitung einer Anfrage bedürfen! Stadtarchiv Gera, Archiv Christian Schmidt, Archiv Wilhelm Sauer Orgelbau, Frankfurt/O.

Dienstag, 27. Dezember 2022

EILENBURG die große Orgel der NIKOLAIKIRCHE v. W.SAUER Frankfurt/Oder. 1916 !

 In Eilenburg wurde 1916 mitten im ersten Weltkrieg eine große Orgel in der dortigen Stadtkirche St. Nikolai aufgestellt. Diese wurde von der Orgelbauanstalt Wilhelm Sauer mit deren Inhaber PAUL WALCKER erbaut. In der Stadtkirche wo MARTIN RINCKART den berühmten Choral "Nun Danket alle Gott" erschuf und den Bittgottesdienst abhielt, das die belagerten Schweden die Stadt nicht zuerstörten. In Eilenburg war zu dieser Zeit der schon tote schwedische König Gustav Adolf von Schweden im "Roten Hirsch" aufbewahrt, heute beherbert das Haus am Marktplatz Gastronomie und das Statmuseum. 

Zurück zur Nikolai-Kirchen-Orgel. Erbaut wurde 1845sie Orgelbaumeister Louis Weineck erbaut. Seine Schüler waren Conrad Geissler und Nicolaus Schrickel, Beide in Eilenburg mit eigenen Firmen ansässig bis um 1900 herum.  Geissler stammte aus Eilenburg, Schrickel aus OBERPÖRLITZ bei Ilmenau (siehe Beitrag Walcker Orgel Ilmenau). Orgelbauer Louis Weineck verstrickte sich in einige Dinge und musste Eilenburg verlassen und übernahm eine Orgelbauwerkstatt in Bayreuth. Meister Weineck erhielt die Ausbildung bei J.G. Mende in Leipzig. Das Orgelgehäuse erinnert sehr an seinen Lehrmeister. Das Orgelwerk wurde von beiden Schülern mehrfach repariert  und überarbeitet. 1916 war es dann soweit, man wollte ein angemessenes Instrument in der Muldestadt die damals ein großer Industriestandort war. 

Orgelgehäuse von Weineck zur Zeit der Sauer Orgel.

 
 
Geliefert hat es Orgelbauanstalt W. Sauer Frankfurt-Oder. Auf 3 Manualen erklingen 44 Register. Aus der alten Orgel wurden übernommen : Trompete 8' Oboe 8' und Clarinette 8' . Das Prospekt war vor 1917 klingend, jetzt stumm und aus Zinkpfeifen erstellt. Der Spieltisch stand am Gehäuse, das ganze Werk hatte rein pneumatische Traktur auf sauerschen Taschenladen. Die elektrische Windmaschine die 1914 an die abgebrochene Orgel von Furtwängler&Hammer angebaut wurden war, wurde übernommen. 

Das lichte Gehäuse musste nun ein viel größeres Werk in sich aufnehmen. Leider existieren kaum Fotografien davon. Die Orgel wurde 1945 bei alliierten Luftangriffen inklusiv der Kirche zerstört. Noch heute ist kein gotisches Kreuzgewölbe in der Nikolaikirche aufgebaut wurden. Mein noch lebender Großvater 2022 - 93 jährig, hatte in der Kirche zu dieser Zeit seinen Konfirmationsgottesdienst- und erinnert sich, das dieser mehrfach unterbrochen wurde durch Luftalarm.

So in dieser Form hat der Spieltisch ausgesehen, nur mit 3 Manualen!