Montag, 14. August 2023

Firma Schuster & Sohn -Zittau und W. Rühlmann-Zörbig.

Was hat eine Firma aus dem entlegendsten Zipfel von Sachsen, Zittau, mit der mitteldeutschen Orgelbaufirma Rühlmann zu tun?

Hier zur Vorgeschichte. 

Der letzte Lehrling bei Firma Rühlmann, Erwin Lägel, ein Neffe des Werkführers Wilhelm Gronau, erlernte den Beruf des Orgelbauers in Zörbig. 1920 in Eilsleben / Börde geboren, welches auch sein späterer Wohnort war.

bei Rühlmann: 3ter v.l. Erwin Lägel.

1948 war in Zörbig kein Orgelbau mehr möglich, alle Mitarbeiter im Rentenalter oder im Krieg gefallen. Lägel trat in seiner Nähe, Magdeburg, bei Orgelbauer Felix Brandt in Dienst. Dieser war Intonateur bei Welte/Freiburg, dem Kinoorgelbauer und intonierte die Rundfunkorgel in Hamburg. Brandt und Lägel waren im ausgebombten Magdeburg nur als "Rucksackorgelbauer" unterwegs. So lernte Erwin Lägel alle verschiedenen Windladensysteme kennen, durch die Wartungen und Instandsetzen der versehrten Kriegsorgeln. Was Lägel an Intonation beim Rühlmannintonateur Gustav Busch nicht lernte, zeigte ihm Felix Brandt. Dieser starb sehr früh und überraschend, somit trat Lägel 1953 in die Firma A.Schuster&Sohn-Zittau, ein. Bis zum Renteneintritt war er Mitarbeiter und "unermüdlicher Außendienstmitarbeiter".  Soviel zu der Vorgeschichte.


Nach dem 2ten Weltkrieg fehlte es an allem, später noch an Firmen die Instrumente instandsetzen, reparieren oder Neubauten ausführen könnten. Rühlmann gab es nicht mehr, West-Firmen war es schwer auf sozialistischem Gebiet Orgeln zu warten. Die Gebrüder Schuster suchten händeringend um Mitarbeiter, übernahmen Herrn Lägel und begannen langsam im mitteldeutschen Raum sich einen Namen zu machen. Um 1965 hatte man schon lange Wartezeiten für Orgelmontagen oder Reparaturen und das bis zu 15 Jahre!!! Lägel war angeblich an 126 Orgelgeneralüberholungen und Umdisponierungen, 67 Orgelmontagen, 92 Windmaschineneinbauten und 128 Reparaturen an Harmonien beteiligt.

1992 Wallonerkirche Magdeburg, Erwin Lägel, Siegfried Schuster mit Frau.


Zu Orgelbauanstalt Schuster&Sohn-Zittau.

Kurzüberblick:

Andreas Schuster (1833-1918) gründete die Firma in Zittau 1869.

Andreas Schuster an der Orgel der Johanniskirche Zittau

Seine Söhne erlernten dasselbe Handwerk. Georg (1857-1936) und Ernst August (1860-1892). Der Erstgeborene Sohn, Georg, übernahm die Firma im Jahr 1900. Er war längere Zeit bei Marcussen/Dänemark beschäftigt. Sein Bruder Ernst August Schuster starb sehr früh. Es wurden "Schüsselladen" gebaut nach dem System Schiffner-Prag. (momentan noch keine erhaltene Orgel ausfindig gemacht, die, die erhalten sind, wurden zu Taschenladen umgerüstet) später wurden Pneumatische Kegelladen verwendet. Auch hier, die nördlichste Orgel der Firma damals in THAMMENHAIN bei Wurzen(1910). Georg hatte keine Nachkommen, dem jüngere Bruder waren zwei Söhne gegönnt die den Orgelbau in dem familiären Betrieb erlernten. Georg II Schuster (1887-1962) und Richard Schuster (1888-1970).
Richard, Georg II, Siegfried und Gerhard im Jahr 1932.

Beide führten den kleinen aber feinen Familienbetrieb in höchste Höhen. Es entstanden ab 1928 einige interessante und zum Teil große Instrumente. Viele mit "Freipfeifenprospekt" wie Gymnasium Zschopau, Zittau Frauenkirche, Spitzkunnersdorf. Seifhennersdorf IV-72 (1936) und Zittau Johanniskirche diese sogar ausgelegt auf III-100 waren die Marksteine. Nach 1945 dominieren Orgelprospekte mit Holzpfeifen, die letzte die damit ausgestattet wurde ist die Orgel der Stadtkirche in Bitterfeld.Übrigens auch hier, ein kompletter Neubau , die Rühlmann Orgel von 1909 op.318 wurde abgerissen. Die Holzpfeifen wurden aus der alten Orgel übernommen-Principal 16'. Dann der 2te Weltkrieg. Der erstgeborene Sohn von Georg II - Siegfried Schuster - arbeitete nach Kriegsdienst und Gefangenschaft dann bis 1947 bei Orgelbaufirma Kemper/Lübeck. Im Jahr 1953 übernahm man Erwin Lägel, ein weiteres Feld eröffnete sich, der mitteldeutsche Raum. 1963 übernahmen die Söhne von Georg II und Richard die Firma. Siegfried Schuster (1915-1994) und Gerhard Schuster (1918-1987). 

Gerhard und Siegfried Schuster an der neuen Orgel in Bitterfeld
 

Die Vettern leiteten die Firma gemeinsam bis 1987, ab diesem Zeitpunkt bis zu seinem Tod 1994 führte Siegfried Schuster die Orgelbaufirma alleine weiter.

Siegfried Schuster 1994 im Büro.

Nicht nur Herr Lägel wurde übernommen. Man disponierte und baute einige der Rühlmann Orgeln um. 

Hier einige augewählte Instrumente:

Erfurt Kaufmannskirche III-manualig

Orgel Kaufmannskirche Erfurt mit Schuster-Spieltisch

Zeitz Michaeliskirche III-manualig

Zeitz, Michaeliskirche,RühlmannOrgel mit Schusterspielti
sch

Wörlitz Parkkirche, Sandersdorf evangelisch, Sandersdorf katholisch, Rotta, Gräfenhainichen, Zeitz St Nicolai, Magdeburg St.Gertrud. Umsetzung Rühlmann aus Hohenedlau nach Berlin. um einige Projekte zu nennen. 

Rotta, Rühlmannorgel mit Schusterschen Rückpositiv

In der Kirche von Herrnhut bei Zittau wurde die Rühlmann Orgel opus 292 durch Kriegshandlungen 1945 zerstört und durch Schuster&Sohn 1957 neu erbaut incl. neuem Gehäuse mit Rückpositiv, welches heute wieder erweitert wurde von Eule/Bautzen.

Herrnhut, neue Orgel im Jahr 1957.