Sonntag, 28. Februar 2021

ILMENAU ein Instrument der Orgelbauanstalt E.F.WALCKER, Ludwigsburg, opus 1609 aus 1911

 Ilmenau. 1857 wurde die Orgel vom Eilenburger Orgelbaumeister Nicolaus Schrickel, (1820-1893) der aus Oberpörlitz bei Ilmenau stammte,  in das typisch für ihn aussehende Gehäuse welches der Ilemenauer Tischler Friedrich Fleischhack anfertigte, eingebaut. (III/37).

Bild aus Festschrift 1911

Das Instrument wurde schon bald störanfällig und die mechanische Traktur, sicher auch ein Kritikpunkt an vielen Schrickelorgeln, wies immer wieder Fehler und Störungen auf. Klanglich orientierte es sich an den Hinweisen des Orgeltheoretikers Töpfer, und später wurde die Intonation durche viele Reparaturen und andere Einflüsse auch immer unbrauchbarer.  Der neue Organist  ab 1904 - Edwin Schmuck quälte sich sicher sehr auf diesem Instrument, immer wieder Reparaturen und keine Verbesserung, überall ringsum entstanden neue moderne beeindruckende kleine und große Orgelwerke. Er kämpfte auf einem Gebrauchsinstrument für den Gottesdienst,welches jedoch nicht für große Aufführungen und Orgelkonzerte konzipiert war. Er wurde der Motor des neuen Orgelbauprojektes.
Walcker Werbeblätter aus 1911

Vor 1911 besuchte er in ganz Deutschland besonders neue Walcker-Orgeln, traf mit deren Organisten zusammen besonders Holtschneider - Dortmund (St.Reinoldi Walcker (op.1500; V/105) und Emil Rupp-  Strassburg wurden zu guten Bekannten und Freunden. Organist Schmuck wollte eine Orgel die nach neuesten klanglichen und technischen Stand erbaut werden soll. Ein Instrument sollte nach neuesten klanglich ästhetischen Gesichtspunkten entstehen, ein Werk der Spätromantik- welches durch die elsässische Orgelreform entscheidend geprägt ist. Alle Manuale sollen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen incl der ihnen beigegebenen Stimmen.
Ilmenau im heutigen Zustand


Kein Geringerer als Emilé Rupp aus Strassbourg war Berater, Freund und beteiligt an der Einweihung an der Seite des Organisten Edwin Schmuck, der ein Orgelwerk haben wollte, welches ersten Rang einnehmen sollte. Ilmenau ist auch das letzte Instrument welches der (damalige Geschäftsführer) Carl Walcker- der Einführer oder Erfinder der pneumatischen Kegellade*(1)- am 1. Mai 1908 bereiste und erste Vorgespräche hierzu führte...danach in Ludwigsburg tödlich erkrankte und starb.



Später traf Edwin Schmuck mit dem neuen genialen Kopf und Chef der Orgelbaufirma E.F.Walcker-Ludwigsburg zusammen, Dr. Oscar Walcker. Dieser war bestens vertraut mit dem neuen Dispositionsschema elsässischer Reform.

Dr. Oscar Walcker - Inhaber der Orgelbauanstalt 1911


Die ausgearbeitete Disposition wurde an Emil Rupp-Strassburg gesendet, der diese, voller Freude, aufs Höchste lobte. Organist Schmuck besorgte die doch reichlichen Finanzen für den Neubau. Die Orgel überdauerte die Zeiten bis auf 7 Umdisponierungen und wechselnder Spieltische! Die Orgelbauanstalt Walcker war damals die größte, bestrennomierteste und teuerste Firma des deutschen Reiches ja schier der ganzen Welt. Ihre Werke sind damals schon auf etlichen Kontinenten zu finden.

Orgelbau-Anstalt Walcker 1902 zur 1000ten Orgel. (C)Archiv Walcker

Um die 220 Mitarbeiter waren in der Anstalt beschäftigt, man fertigte alles selber, Spieltische, Pfeifen, Windladen, eine große Konstruktionsabteilung, eine Entwurfsabteilung die alle Stilepochen beherrschte, konnte kolorierte Prospektzeichnungen erstellen. Windmaschinen wurden selber hergestellt, so auch die gelieferte in Ilmenau. Ausgezeichnet mit Goldmedaillen, so wurden Instrumente ersten Ranges und größter Abmessung erstellt, mit Güte des Materials und einer Klanglichkeit die noch heute bezaubert. Nix mit Fabrik-Orgelbau. Das waren alles Kunstwerke!  Es war soweit, Frühsommer 1911, die Orgel wurde in Kisten aus Ludwigsburg angeliefert, die Aufstellung dauerte 6 Wochen. Die Monteure Langenstein,Gläser, Götz, Schmidt, Schölp und der Ilmenauer Gehilfe Köditz waren am Aufbau beteiligt.

Das Gehäuse der SchrickelOrgel blieb erhalten und musste nun ein doppelt so großes Werk in sich aufnehmen. Man übersprang hier bewusst eine Epoche der Technik und wendete gleich die damals neue Trakturform der "Electropneumatik" an. Es sitzt nur ein elct.pn. Relais unter den einzelnen Werken, welches gleich als "Splitter" dient, ab da geht es pneumatisch weiter zu den geteilten Windladen der einzelnen Werke.
Registereinschaltung der Hängebalglade

Hingegen aller Berichte ist hier keine "Kegellade oder Taschenlade" verbaut, hier wurde die teure aber extrem präcise, nur den electropneumatischen Instrumenten vorbehaltene "Hängebalglade" von Walcker verbaut wie in Hamburg op1700 und Doesburg op.1855 uvm. Eine auf Zustromprinzip basierte Abstrom-Windlade mit Keilbälgen und darauf sitzenden Scheibenventilen. 

Walckersche Hängebalglade

Das Beste was es auf dem Markt gab. Nur das III. Manual besitzt auch eine electropneumatische Kegellade. Der freistehende Spieltisch stand ehemals seitlich auf der Längsempore.
Vorrelais der Hängebalglade am Bombardon 32'

Dieser wurde von VEB Orgelbau Sauer Frankfurt/Oder neu erbaut ohne alle Funktionen der Oktavkoppeln und Manualumfänge aufzunehmen. 7 Register wurden umdisponiert, umgestellt und neu hinzugebaut. 1993 wurde die gesamte Anlage von der Orgelbaufirma Christian Scheffler-Sieversdorf, rekonstruiert, rückgeführt und überarbeitet. Ein neu erbauter Spieltisch von Fa. Heuss welcher nur angelehnt an die Ausführung der Firma Walcker ist, wurde jetzt mittig vor das Instrument gestellt. Er erfüllt alle Aufgaben, besitzt alle damaligen Funktionen mit Oktavkoppeln-und sieht fast so ähnlich aus. Hier weicht die Restaurierung vom Original ab.
Heuss-Spieltisch 1993

Die Electric wurde neu verlegt, was aus Brandschutzgründen nur zu begrüßen war.
neue ankommende Elektrik am Umschaltrelais. Im Inneren sitzen Magneten.

Das erste Manual entspricht den deutschen Gepflogenheiten und besitzt neben der Mixtur als Klangkrone noch ein Scharf 3 fach 1' welche auf einen breiten Fundament aus 16' und 8' stehen. Das gibt dem deutschen Hauptwerk mächtig strahlenden Glanz. Das II. Manual bildet mit seinen Registern eher ein Begleitmanual welches aber das Hauptwerk unterstützt. Auch hier Aliquoten: der ausgebaute Principalchor, Piccolo 2' und Mixtur 4 fach. Und etwas ganz besonderes, ein Glockenspiel welches als Metallophon gebaut ist und pneumatisch betätigt wird.
Metallophone- Glockspiel im II.Manual aus 1911

Alles gefertigt in der Firma Walcker. Im III.Manual, dem ausladenden Schwellwerk, sind alle Soloregister vereinigt, von leisesten bis zur strahlenden Klangkrone der Cymbel 3 fach- eigentlich 4 fach. Sesquialtera 2f. bringt Farbe durch ihren Terz ins Spiel. Voix céleste8' erklingt männlich straff und nicht seifig. Dazu ein Chor an Flöten und anderen Grundstimmen. Dazu gesellt sich, wie sollte es anders sein als elsässische Reformorgel der Orgel der Zukunft: eine Batterie an Rohrwerken. ein zartschnarrender Basson16' Trompette harmonique8' mit überlangen Schallkörpern, Oboe8' und ein Clairon 4'. Auf II: Klarinette8'. Im ersten Manual die klassische deutsche Trompete8' und dazu ein Cor anglais 4'.
Trompette harmonique 8' und Clairon (harmonique) 4' im III. Manual

Im Pedal beginnt der sanft streichende Harmonikabass 16'; Quintbass 10.2/3' erzeugt den akustischen 32' . Hierzu kommt der Bombardon 32' Posaune 16' Trompete 8'. Der Basson16' und Clairon4' sind geschickt angelegte Transmissionen.
Bombardon 32' im Pedal (nennt sich Posaune 32')

Und nun kommt das Beste: Manual II und III werden gekoppelt an Manual I und verdoppeln dessen Klangkraft. Noch nicht genug? Dann rein mit den Superoktavkoppeln II-I, III-I !!! Beide Manuale auf 70 Töne ausgebaut! Suboktavkoppeln II-I III-I geben sonore Fülle und verdreifachen den Klang der Register. Die alte Windmaschine muß einiges Leisten um diese Fülle an Wind bereitzustellen.
Walckersche Luftschleudermaschine - Motor  ist neu aus DDR-Zeiten.

Der Hauptkanal und anschließende Windführungen sind dementsprechend groß bemessen. Eine "bescheidene" Leerlaufkoppel I.Manual besorgt noch mehr Spielfreude. So kann man mit den Oktavkoppeln noch ganz andere Registermischungen erzielen, die Leerlaufkoppel wirkt wie "Handregister auf dem ersten Manual ab" man kann schon beliebig vorbereiten, die 32'16'8'4'2' Zungen spielen, was beeindruckend klingt und etwas an Cavaille Coll erinnert, aber nur etwas, es ist ja noch eine deutsche Orgel die das Deutsche gern mit dem französisch symphonischen Stil verbinden möchte und den Barock eines Silbermann schon im Augenwinkel hat. einige Prinzipale und Aliquoten sind nach silbermannscher Mensur erbaut, vielleicht nicht intoniert aber immerhin. Beeindruckend ist, daß schroffe Aliqouten und scharfe Streicher sich mit grundtönigen Flöten so vertragen.
electro-pneumatisches Relais und Splitter-Station unter den Registerkanzellenwindladen


Dazu die pompösen Rohrwerke. Wäre doch was fürs Zusammenleben auf unseren Globus. Jeder gibt sein Bestes hinein und es entsteht etwas ganz Edles, Neues. Dieses Dispositions-Schema fehlt jeder  "Barockisierung. Hätte man die neuen Aliqouten incl deren Mensuren besser zu den vorhandenen Registern der Spätromantik angepasst würde auch dort etwas Einheitliches herauskommen. Hinter dem Hauptspieltisch, der sich damals auf der Seitenempore befunden hat....findet man im alten Spielschrank einen weiteren kleinen Hilfspielschrank....von dort können viele Stimmen des I.Manuales rein pneumatisch gespielt werden.

Hilfsspieltisch im Orgelgehäuse


Dieser wurde inclusiv eines Notbehelfs für Bälgetreter vorgesehen. Im Falle eines Stromausfalles kann man wenigstens Notdürftig die Gemeinde begleiten. Da sich der Spieltisch damals seitlich auf der Nachbarempore befand wollte man von hier aus auch einige Chorstücke direkt begleiten. 

und so hörts sich an: 

https://www.youtube.com/watch?v=Finh_SVgI1A   (Superman - J.Williams, Filmmusik)

https://www.youtube.com/watch?v=Aq-TB47tmPE (Der Denver Clan von Bill Conti.....mit Glockenspiel)


 www.walcker.com

*(1) aus Oscar Walcker -  Erinnerungen eines Orgelbauers 1948 S.16

Festschrift von Edwin Schmuck 1911

E.F.Walcker königl. württ. Hoflieferanten Festschrift zur 1000ten Orgel 1902. 

Orgelbau-Archiv Christian Schmidt



Montag, 18. Januar 2021

KÜHNDORF op.379 aus 1914

 In Kühndorf bei Suhl wurde 1914 eine von 4 Instrumenten in der Region aufgestellt. In Metzels steht op.245 aus 1903 in Kloster Rohr op.372 aus 1914 und in Dillstädt op.386 aus 1915. Viernau op.444 aus 1930 kam erst später hinzu. 

Kühndorf.

Das barocke Gehäuse wurde wiederverwendet und klingend belassen. Kraftvoll fegt das volle Werk durch den Raum, die einzelnen Stimmen sind von einer solistischen Schönheit. Im Zuge von Umbauarbeiten in der Kirche zu DDR-Zeiten wurde das Instrument, welches ursprünglich über dem Altar aufgebaut war, auf die Westempore versetzt, aber gottseidank nicht verändert. Qualitätsvolle Verarbeitung aller Teile beeindruckt heute wie damals. Registerschilder aus Porzellan sind hier erstmals mit gotischer Frakturschrift versehen.
Frakturschrift auf den Schaltern.

Entgegen dem Rühlmann-Buch von H-J. Falkenberg steht die Orgel nicht auf Taschenladen sondern auf den typischen Rühlmannschen Registerkanzellen! Hier das Beweisphoto:
Unterseite der pneumatischen Registerkanzelle (Kegellade) und Spieltischrückseite.

Im Spieltisch ist eine Inschrift des damaligen Kantors angebracht welche das Datum und die Monteure aus Zörbig benennt.Bemerkenswert ist auch die kurze Aufstellungszeit vom 30.7.bis 8.8. das sind 10 Tage.
Inschrift im Spieltisch.

Bruno Eule - der Chefintonateur, Wilhelm Gronau - der Werkmeister aus Zörbig, Paul Echten -  Orgelbauer der schon manch große Orgel mit aufgestellt hat, so auch op.300 in JÜTERBOG und Richard Rühlmann - Neffe des Firmeninhabers und ehemaliger Chefintonateur bis ~1906. Dieser wurde noch vor Beendigung der Aufstellungsarbeiten "zu den Fahnen " einberufen, da der beginnende erste Weltkrieg die ersten Opfer forderte.
Spieltisch mit eingeklebter Inschrift vom 8.8.1914

Saniert und überholt presentiert sich das schöne Werk, die Pneumatik funktioniert tadellos, die Klangfarben bestechen durch edle Schönheit. Lediglich den Zinnprospekt hat die damals neue Orgel eingebüßt.

Freitag, 15. Januar 2021

OPPELHAIN op.320 aus 1910

 In Oppelhain, das liegt zwischen Bad Liebenwerda und Finsterwalde, wurde 1910 Rühlmanns opus 320 eingebaut. 

 

Oppelhain Op.320 aus 1910

Die kleine Orgel überstand 1917 die Abgabe der Prospektpfeifen, und besitzt noch den originalen Zinnprospekt der damaligen Zeit. In das kleine historische Gehäuse aus Barockzeiten wurde ein viel mehr Platz beanspruchendes Werk hinein konstruiert somit sind seitlich links und rechts Gehäuseerweiterungen sichtbar die im Stil der Orgel angepasst wurden.

Orgelbau macht vor nichts halt: Decke aufgesägt für die große Gamba 8'

Alles bei Rühlmann Zörbig entworfen und erbaut. Dazu alles einheitlich farblich neu gefasst. So steht sie noch heute in der kleinen Dorfkirche. Restauriert wurde sie von Liebenwerdaer Orgelbau Voigt. Der typische Spieltisch ist hier seitlich positioniert.
seitenspieliges Orgelwerk

In dem kleinen Ein-Fuß-Gehäuse wurden 2 Manuale und Pedal untergebracht, im Spieltisch ist noch zusätzlich eine Suboktavkoppel II-I untergebracht was der kleinen Orgel die nötige Gravität verschafft. Das Werk besitzt keine Mixtur, auf I.M. finden wir klassisch Hohlflöte8', Gambe8', Principal8' Oktave4' auf II.M. Lieblich Gedackt8' und Flauto amabilé4'. Auf dem Pedal: Subbass 16' und Gedacktbass8'. Alles steht auf den typischen Registerkanzellen mit Hubmembranen, selbst der Magazinbalg inclusive des Fußantriebes ist im kleinen Gehäuse untergebracht.
Fußantrieb rechts am Gehäuse

Ein herrliches Werk für so eine kleine Kirche. Die Intonation besorgte der damalige Chefintonateur Eule der kräftig, kernig dabei absolut klangschöne Registerklangfarben vorlegt die einfach nur beeindrucken. Empfehlenswert.

Donnerstag, 3. Dezember 2020

SELBITZ op.414 aus 1926 (bei Kemberg)

 Südlich von Wittenberg liegt etwas abseits der kleine Ort Selbitz. Hier wurde 1925 die baufällige Barockkirche durch einen gleichgroßen Neubau mit historischen Ausstattungsstücken aus dem Vorgängerbau versehen. Die alte Orgel wurde dabei nicht berücksichtigt. Hier musste etwas kleines aber Neues her. Man bat Wilhelm Rühlmann im nahen Zörbig ein entsprechendes Werk zu konzipieren. In der Nachkriegszeit sicher ein schweres Unterfangen, wenig Geldmittel und wenige Fachleute waren vorhanden. Es wurde ein neobarockes Gehäuse entworfen mit Anlehnungen an die zwanziger Jahre.   


 

 Zwei hohe Seitentürme flankieren ein breites Mittelfeld in dem einige Pfeifen des Principal 8' stehen. Alles in Zinkausführung der Notzeit geschuldet. Dabei wurde in der Orgelbauanstalt Rühlmann trotzdem immer auf peinlich genaue Verarbeitung geachtet. 

Spieltisch: man beachte das f'

Davon zeugen Windladen Pfeifen und Spieltisch und die technische Anlage. Am Spieltisch ist der größere Tastaturumfang C-g''' und Pedal C-f' vorhanden, bemerkenswert ist, das die Taste f' des Pedals noch ausserhalb des Chassis angebracht wurde. Vermuten lässt hier , das nur C-d' projektiert wurde und in letzter Minute der Umfang vergrößert werden musste. 

Blick in den inneren Aufbau

Die Registerstaffelei verrät: Hauptwerk: voluminöse Hohlflöte8' Principal8' Octave4' Rauschquinte 2 fach, hier wurde auch gespart...gedeckte Quinte und offene Oktave 2'  mit Zinkpfeifen. Auf dem IIten Manual kommt eine absolut zarte Aeoline8' ein markiges Lieblich Gedackt8' und eine starke Flûte harmonique 4' zum Einsatz. Im Pedal nur Subbass16'. Die Oberoktav und Unteroktavkoppel II-I bringen noch mehr Volumen in das kleine Werk, ohne aufdringlich zu wirken. Die kleine Orgel ist momentan etwas eingeschränkt spielbar zeugt aber von ihrer Erbauerfirma. Nix überspitztes, keine schrillen Aliqouten. Aber in Ihrer Intonation schon nicht mehr der alten Zeit behaftet....Instrumente die in Zukunft gebaut wurden wurden durch neuere barockere Register und Klangfarben ergänzt. Aber immer behutsam ohne es zu übertreiben.

Selbitz opus 414


Freitag, 27. November 2020

TIEFENSEE op.382 aus 1915

 Inmitten des ersten Weltkrieges wurde in Tiefensee bei Bad Düben das opus 382 aufgestellt. Auf II Manualen befinden sich 11 Register. Das Gehäuse wurde zeitgleich mit erbaut, dem Kirchenraum angepasst und in einfachen geraden Formen edel ergänzt durch Formelemente, Schleierbretter und Farbgebung, dem Barock angelehnt.

Tiefensee Neobarockgehäuse aus 1915

Auf dem oberen Gesims wird das Gehäuse noch durch ein geschnitztes Schleierbrett bekrönt.  Hinter dem Zinkprospektpfeifen die aus der Erbauungszeit stammen, die obere Arkadenreihe ist stumm angelegt, stehen zuerst die Gamba8' und das Lieblich Gedackt 8' des II. Manuals. Dahinter das Manual I. Principal8' Hohlflöte8' Octave4' und Rauschquinte 2 2/3'&2'. Alle Pfeifen stehen auf einer Zwillingslade - Manual I und II befinden sich auf einer kompakten Lade die von unten getrennt pneumatisch angesteuert wird. Ein Gangbrett trennt die Windladen von Manual und Pedal. Diese steht auch in der "ersten" Etage.  Darauf der Subbass16'. Die Windladen sind die klassischen Registerkanzellen von Rühlmann. 

Spieltisch original erhalten

Eine Suboktavkoppel II-I bringt Würde und Kraft in das kleine Werk. Der Magazinbalg  und Fußantrieb befinden sich im Untergehäuse des Instrumentes. Der Bälgetreter hat einen separaten Zugang seitlich an der Orgel. 

unten Bälgetreterkammer und oben Pfeifenwerk alles in einem Gehäuse

Der erzeugte Wind wird über einen Zieharmonikabalg in den darüberliegenden Windkanal geleitet. Momentan ist das Werk nich spielbar, wurde von Wasserschäden heimgesucht und einige Pfeifen fehlen schon. 

Zieharmonikabalg und sichergestellte Pfeifen

Man ist aber bestrebt auch diese Orgel bald wieder restauriert in Betrieb zu nehmen -  eine Bereicherung für die nordsächsische Orgellandschaft welche von vielen defekten Instrumenten zehrt....aber auch eine größere Anzahl sind auf höchsten Niveau mittlerweile vorbildlich restauriert in den letzten Jahren.

Sonntag, 22. November 2020

ZÖRBIG op.432 aus 1928! Rühlmann Jr.´s Vorführorgel

In der Heimatstadt der Orgelbauanstalt Rühlmann konnte endlich im Jahr 1928 auch ein Werk der ortsansässigen Firma istalliert werden. Das historische Gehäuse aus der Frühromantik wurde hierbei übenommen und seitlich erweitert um ein viel größer dimensioniertes Instrument unterzubringen. Es sollte jetzt III Manuale und 40 Register aufnehmen. Davon ein riesiges Schwellwerk im oberen Teil der Orgel.
Orgelprospekt in Zörbig
Das Werk steht auf I, II und Pedal auf Rühlmannschen Registerkanzellen (Kegelladen) und das IIIte Man auf Taschenladen. Der Spieltisch ist im Stil der Großorgeln wie der der Lutherkirche in Erfurt 1928 (umgebaut erhalten) , Gnadenkirche Berlin 1927(abgebrannt 1945) und Eisleben Peter & Paul 1929(nicht erhalten) , angelegt.
Spieltisch für Berlin Gnadenkirche op.419-1927
Spieltisch Erfurt Lutherkirche op.425 - 1928
Auch hier zeichnet sich die bequeme Handhabung beim spielen aus, trotz der vielen Schalter. Übersichtlich angelegt und einfach zu spielen. Was schon mal viel Freude verbreitet. Die Werkaufteilung ist hier ganz klar und für Kundenbesuche konzipiert: Manual I: Hauptwerk mit den >Kernstimmen< der Orgel. Auf Manual II trifft man auf eine Art englisches "Choir" mit kräftigen Geigenprincipal8' absolut traumhafter Doppelflöte8' und Flauto traverso8'. Dazu gesellt sich Prinzipal und Nachthorn 4' und als Einzelaliquoten Gemshornquinte 2 2/3' und Blockflöte 2'. Das III.Manual ist ein großes spätromantisches Schwellwerk dazu ein perliger Flautino 2' und eine Sesquaialtera 2 2/3' 2'- welche bei früheren Orgeln die "Harmonia aetherea 3fach" bildete. Eine kräftige aufschlagende Oboe8' gibt enorm Farbe über das ganze III.Manualwerk. Durch die vielen Unter- und Oberoktavkoppeln die auch durch die Manuale auf das I. Man. wirken ergeben sich hier traumhafte Klangmöglichkeiten schier unbegrenzter Möglichkeiten. Wir haben hier Superoktav: III, III-II, II-I (wirken auch alle aufs Pedal) Suboktav:III-II durch II-I auch auf I. Herrlich. Ein riesiger Koppelapparat macht es im inneren der Orgel möglich. Und natürlich auch eine kraftvolle Windmaschine die den extrem erhöhten Windverbrauch realisieren muß. Das volle Werk klingt imposant und enorm kraftvoll und aliquotbetont.
Spieltisch in Zörbig.
Eine Orgel der nichts fehlt und auf der Barockmusik, Mendelssohn, Rheinberger Reubke Reger und Widor ohne weiteres darstellbar ist. Besonders die Flöten und Soloregister sind bezaubernd intoniert und stellen viele Kompromissinstrumente aus dieser Zeit in den Schatten. Absolut hörenswert! Das Instrument ist bis auf 2 Umdisponierungen die von Wilhelm Rühlmann jr.1960 authorisiert wurden original erhalten und zeugt heute von dem Willen Instrumente zu bauen die nicht Neobarock - oder kompromiss-Instrumente auf Pneumatik sind sondern eine Weiterentwicklung der Spätromantik. Rühlmanns Instrumente klingen ganz speziell und ganz anders als ihre Zeitgenossen.

Donnerstag, 19. November 2020

HERRNHUT Brüdergemeindesaal in Sachsen op.292 aus 1907!

 In Gnadau bei Magdeburg erstellte die Orgelbauanstalt im Jahr 1891 ein kleines Werk für die dort ansässige Brüdergemeinde in deren Gemeindesaal. Das 117te Werk. Damals noch auf Kastenladen, freistehenden Spieltisch und einfachsten Koppeln die noch im Spieltisch mechanisch agieren. Pneumatik der ersten Stunde! Im Schwellwerk Oboe 8' und Voix celéste8' dazu ein Schwelltritt der noch als Löffeltritt angelegt war. 

 

vollbesetzter Saal in Herrnhut

In der Zentralgemeinde wo Graf Zinzendorf böhmisch und mährischen Glaubensflüchtlingen Zuflucht gewährte, entstand der große Versammlungssaal. 

Postkarte zur Orgelweihe und Saaljubiläum1907!

 

Um 1906, so schreibt es der Verfasser der Festschrift Hr.Erxleben, wurde die alte Barockorgel mit ihren vielen kreischenden und nicht tragfähigen Stimmen, zusehens unwürdiger für die vielen Großveranstaltungen und Hochfeste der Brüdergemeinde. Etwas neues großes symphonisches und konzertantes mußte her. Man unternahm einige Studienreisen zu größeren Orgelbaufirmen. Da man mit Rühlmann - der in Gnadau schon gute Dienste geleistet hatte - eine herausragende Zusammenarbeit hatte fiel der Neubau der Hauptorgel für den Brüdersaal auf ihn und seine Orgelbauanstalt. Am 11. August 1907 war es nach kurzer Bau und Aufstellungszeit endlich soweit- das große Instrument wurde eingeweiht und der Gemeinde vorgestellt. 

 

Organist Heyde am Spieltisch der RühlmannOrgel

Die 292te Orgel die Zörbig verließ. Das edle Gehäuse - ein Werk Nach Zeichnung und Ausführung des Herrnhuter Tischlermeisters Arndt. All das in breiter Ausführung, Im Saal ist auf der Empore die Höhe begrenzt und für die vielen Register die geplant waren kaum Platz. 

 

Chor und Orgel von Rühlmann

Alles mußte ebenerdig eingebaut werden und dazu noch die damals moderne elektrische Windmaschine die mit Tretvorrichtung und Magazinbalg ausserhalb untergebracht wurde. Der Spieltisch wurde freistehend wie in Gnadau 2,5 Meter vor die Orgel positioniert und schafft Platz für den Chor. 1907 diesmal mit modernsten Mitteln wie freie Kombination, Oktavkoppeln und Koppeln zu allen Manualen und Pedal ausgestattet, dazu Rollschweller inclusive Crescendohandhebel für den Registranten.

 

deutlich zu sehen der freistehende Spieltisch

 Klangdesigner Eule erzeugte etwas großes symphonisch orchestrales wie man es heute noch an vergleichbaren Instrumenten der Firma erleben kann. III Manuale, 40 Register. Alles was schön ist vergeht - somit verbrannte auch diese herausragende Orgel 1945 bei Kriegshandlungen.


Mittwoch, 11. November 2020

HEILIGENTHAL opus 387 aus 1916

 Etwas abgelegen in herrlichster Natur bei Gerbstedt (SachsenAnhalt) liegt Heiligenthal. (14km von Könnern entfernt). In der Kirche findet man alles im historischen Zustand, Barockaltar, Barockorgel, Jugendstilmalereien der letzten Kirchenrenovierung und elektrische Lampen aus der Jahrhundertwende. Wäre da nicht diese schwergängige und störrische Orgel aus 1737 mit ihrem Barockgehäuse. Erbaut von Johann David Tiensch aus Eisleben. Sicherlich heute eine Bereicherung, hätte man sie erhalten.....Rühlmann weigerte sich das Barockgehäuse durch ein Modernes zu ersetzen. Es wurde in der heimischen Orgelbau-Anstalt restauriert und erweitert. Es sollte eine doppelt so große Orgel in sich aufnehmen- 1737 das barocke Instrument I/12; 1916: II/11. aber dafür auf II Manualen und die vielen 8 Fuß-Register benötigen massiv raum. 1916 in mitten des scheußlichen ersten Weltkrieges wurde das Werk eingeweiht. Abgeliefert wurde nur in höchster Qualität. 

 

Heiligenthal Op.387 - 1916

Die Verarbeitung aller Teile und der Materialeinsatz zeugen davon. Auf dem ersten Manual sind disponiert: Hohlflöte8'Principal8'Octave4'Bordun16' Mixtur 3fach. Der Bordun gibt Fülle und Fundament. Auf der Windlade des II.Manuales, ein wahres Oberwerk, die Windlade steht über den Pedalpfeifen und über denen des Hauptwerkes, sind zu finden: Lieblich Gedackt8' Flauto traverso 8' Gamba8' Flauto amabilé4'. Die Oberoktavkoppel ist ausgebaut und lässt dadurch genialste Mischungen zu. Im Pedal ist Subbass 16' und Octavbass 8' aus Holz gestellt....beide geben dem Ganzen Kraft. Bemerkenswert ist bei dieser Orgel : der Principal8' ist eine wahre Kernstimme, frisch, kernig und jugendlich trotz das er verstaubt ist -  und außerdem in original Zinnausführung im Prospekt- er klingt wunderschön. 

 

Barockgehäuse mit Rühlmann´schen Zinnpfeifen.

Dazu alle anderen Register, die wie immer als Solostimmen verwendet werden können. Die Gamba8' bedarf auch der Betrachtung: Rühlmann´s spätromantische Instrumente leben von der Grundtönigkeit die durch schroffe Streicher mit viel "Oberton" aufgekratzt werden. Der Erbauer und der junge Chefintonateur legten Wert auf Obertönigkeit und Durchhörbarkeit bis in die tieftste Oktave.....die Gamba8' ist trotz der Höhe ausgebaut, die 5 längsten Pfeifen wurden aus Zink hergestellt und liegend an der Rückwand der Orgel befestigt. 

 

liegende Gamba 8' in Zink

von der Schönheit und Noblesse der Flöten muß man gar nicht berichten. Hier sind wie immer Namen nicht Schall und Rauch....man hört die Hohlflöte und die Traversflöte und die kleine Flauto amabilé direkt heraus. Man kann Principal zu Octave unterscheiden in Farbe und Nuance. Da die Orgel neu gewesen ist, musste der Zinnprospekt nicht abgeliefert werden. 

 


Das Ganze gekoppele und offene 8Fuß Zeug braucht natürlich eine enorme Windversorgung.... diese ist schier wild durch die Kirche geleitet.... leider funktioniert die Zuführung vom Motor nicht richtig, dadurch ist die über 100 Jahre alte Orgel nur eingeschränkt spielbar....lässt sich aber leicht beheben.....und ist mittlerweile wie ihre Vorgängerin ein seltenes besuchenswertes Objekt -  ein Muss. 

 

Gesamtansicht

Heiligenthal ein Instrument der Orgelbau-Anstalt Rühlmann - Zörbig , 1916!