Eilenburg´s Orgelbauerscene ist momentan noch nicht eingehend erkundet und es gibt zu wenig ungesichtete Artefakte in Archiven darüber. 3 Orgelbaumeister sind definitiv belegt, davon zwei sogar zur gleichen Zeit im selben Ort mit ihren Firmen tätig.
Buckau bei Herzberg |
Ich stelle heute den schillerndsten und doch im Schatten des Anderen stehenden Orgelbaumeister vor : NICOLAUS SCHRICKEL. Lange waren die Lebensdaten nicht komplett bekannt, ich forschte nach mit Hilfe vom befreundeten Organisten Hans-Jürgen Freitag in Ilmenau und wiederum sein Freund, Thomas Weiss, der Archivarbeit betreibt, dieser wurde fündig. Aus der Forschung ergibt sich:
Nicolaus Schrickel war kein Eilenburger, er wuchs in Unterpörlitz bei Ilmenau auf. Am 15.3.1820 erblickte er das Licht der Welt und wurde 4 Tage später am 19.3.1820 in der alten Kirche im Ort getauft. So sagt es das Taufbuch des Dorfes. Wie er nach Eilenburg kam ist ungewiss, er durchlief die Orgelbauerlehre beim ansässigen Eilenburger Orgelbaumeister Louis Weineck, der 1844 überraschend nach Bayreuth übersiedelte. Wahrscheinlich gab es Querelen mit der königlichen Regierung und er floh.
freistehender Spieltisch evtl. Op.2 Battaune |
op. 2 Battaune bei Eilenburg, vrgl. Gehäuseform mit Lissdorf. |
Schrickel absolvierte die Meisterprüfung und übernahm die Werkstatt. Ein weiterer Schüler und Lehrling Weinecks war zu der Zeit gerade auf Wanderschaft und kehrte später heim, Conrad Geissler - und machte sich auch in seiner Heimatstadt selbstständig. Im Jahre 1845 bekam Nicolaus Schrickel das Bürgerrecht der Stadt Eilenburg. Seit dieser Zeit bis in sein Todesjahr 1893 sollen laut Fachzeitschriften mehr als 60, einige sprechen sogar von mehr als 100 Instrumenten, entstanden sein.
Firmenstempel |
Es wurde bisher noch kein Werkeverzeichnis erstellt, Kollege Daniel Ulrich und ich erstellten vorab ersteinmal eines... zumal viele seiner Orgeln in kleinen bis kleinsten Orten und Kirchen zu finden sind, viele nur mit 4-6 Register groß und angehängtem Pedal. hier der Link: Schrickel Opus Verzeichnis
Titelseite eines Angebotes |
Aufträge kamen auch vom damals mit vollen Auftragsbüchern überlasteten Friedrich Ladegast in Weissenfels.
Lissdorf bei Eckartsberga, im Auftrag von F. Ladegast. |
Im Jahr 1858 erschuf er sein größtes Werk, die Orgel für seine Heimat, für die Jakobskirche in Ilmenau mit einem beeindruckenden Gehäuse, dort ausgeführt von Tischler Fleischhack, welches heute noch besteht.(heute: Walcker Orgel op.1609 von 1911 darin) Mit diesem Werk übernahm er sich finanziell und auch technisch, schwere Schicksalsschläge trafen ihn zu dieser Zeit im Kreise seiner Familie, so weiss es die Festschrift der Ilmenauer Orgel von 1911!
Ilmenau
Jakobskirche. Bild zeigt die alte Schrickel-Orgel siehe Spielschrank.
©Photo vor 1911, by Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg: WABW_Bü 1938_2 |
Unaufhörlich strebte er dennoch vorwärts. Am 13.5.1893 verstarb Orgelbaumeister Johann Nicolaus Schrickel und wurde in Eilenburg beigesetzt. Nun zum Werk: Als erstes: Gehäuse.
Tornau bei Bad Düben |
Die Prospekte seiner Orgeln sind sehr oft verspielt, reich verziert und bemalt in feinster Biedermayer-Neoromanik-Klassizismus Manier. Einige weisen strenge Formen von Neugotik auf.
Kühnitzsch bei Wurzen |
Intonatorisch war er anderen weit vorraus, man hört förmlich seine thüringer Heimat. Absolut frische Principale in allen Lagen 8'4'2' begegnen uns, die tragfähig sind und "singen". Beeindruckend ist Viola di Gamba8' intoniert mit scharfen Strich und kraftvoller Lautstärke. Die Flöten sind von wärmster Schönheit. Hohlflöte ist klassisch derb vollmundig. Die Flauto traverso8' wurde in aufwendiger gedrechselter Form aus Nadelholz hergestellt und begegnet einem oft an seinen Instrumenten.
"Flöte traverse 8' " hier in Obernitzschka |
Amabile 4' flötiger Ton feinste Nuancíerung zu den anderen 8' Fuß Registern. Ein besonderes Register ist die Flöte "Allemande" 8' oder 4' mit besonders schöner Färbung und Flötenton. Die Mixtur, meist 3 fach oder 4fach ist kräftig bis gewaltig auftragend. Der Repetitionspunkt liegt ungewöhnlich bei Fis.
Schnaditz, Orgel über dem Altar, heute Opus 1 von E.F. Köhler - Pretzsch 1933 |
Die Metallpfeifen weisen eine hohe Herstellungsgüte auf und sind hervorragend hergestellt. Die Holzpfeifen sind im selben Maße pinibel sauber gefertigt. Leider hatte der Meister zu seiner Zeit nicht allzugutes Material zur Verfügung, heute sind viele Pfeifen von Wurm zerfressen oder gehen aus dem Leim. Die Windladen sind allesamt als Schleifladen ausgeführt. Für die Ventilzugdurchführungen wurden keine Lederpulpeten sondern Bleiplatten verwendet, welche heute zu einigen Störungen führen. Abstrakten wurden als Rundstäbe ausgeführt, später flach.
Rundabstrakten, Innenleben der Orgel in Paschwitz bei Eilenburg |
Ein Markenzeichen seiner Orgeln sind die vielen freistehenden Spieltische direkt vor den Instrumenten. Aber auch Instrumente mit einschiebbaren Spielschranktüren wurden oft geliefert. Bemerkenswert und von absoluter Schönheit zeugen die Registerzüge vieler Orgeln. Ausgeführt in vollem weissen Porzellan mit edler Frakturbeschriftung- keine gedrechselten Registerknäufe! Dazu die Bemalung der Registerstaffeleien.
Registerzüge aus Porzellan, Roitzsch bei Torgau. |
Ein Registerzug, die "Schwebung" ist ein Tremulant, meist zur Flöte 8'.
Roitzsch bei Torgau. |
An einigen Prospekten hat der Meister sich selber verewigt, er war auch Holzbildhauer und Bildschnitzer. Davon zeugen seine überreich verzierten Orgelgehäuse. So weiß es u.a. die Chronik in Oberglaucha und ich hörte soetwas in anderen Orten auch bei meinen Orgelbesuchen.
Selbstbildnis v. Schrickel in Wöllnau |
Selbstbildnis v. Schrickel in Oberglaucha |
Heute kommen uns Schrickel-Orgeln eher ungepflegt, unspielbar oder schlecht restauriert und klapprig mit Fehlern daher. Man muß sagen,die Mechanik ist filigraner und störanfälliger. Aber eine fehlende Wertschätung dieser Instrumente die durchaus auf hohem Niveu gefertigt wurden sind ist auf dem Plan.
freistehender Spieltisch in Kolochau bei Herzberg/Elster |
Abschließend sollte gesagt werden das Seine Instrumente - so kontrovers er auch baute - qualitativ auf gleicher Höhe mit denen seines Konkurrenten Geissler stehen müssen, Geißler baute handwerklich schwer und solide, Schrickel filigran und spielerisch. Außer die Gebläseanlage. Die Einfaltenbälge reichen für seine Orgeln nicht unbedingt aus. Hier baute er auch etwas, was besonders ist: die Schöpfanlage, sie wirkt wie texanische Erdölpumpen.
alte Schöpfanlage hier in Oberglaucha. |
Die
richtige Restaurierung macht es, dann erstehen die unendeckten Werke
Schrickels zu neuem Leben und vermitteln-trotz all seiner Trauer in
seinem Leben-Spielfreude und Schönheit des Tones.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen